Marketeers stehen heute vor zahlreichen Herausforderungen: Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Budgetzwänge erfordern neue Ansätze – auch bei der Gestaltung von Messeständen auf medizinischen Kongressen.
„Die zentrale Frage ist dabei weniger, ob der Kongressstand noch zeitgemäß ist, sondern wie er zukünftig so gestaltet wird, dass er auch weiterhin für Aussteller wie Healthcare Professionals wertvoll und relevant bleibt."
Autor: Kai Oehlschlaeger, Senior Director Client Strategy and Business Development bei expopartner
Kaffeeduft liegt in der Luft, während Besucherströme sich ihren Weg vorbei an bunten, aufwändig inszenierten Ständen bahnen. Wer dieser Tage über die Industrieausstellungen der vielen Herbstkongresse schlendert, sieht ein vertrautes Bild: Die meisten Messestände folgen bewährten Mustern und haben sich ebenso wie viele Kongresse selbst augenscheinlich kaum verändert. Dazu passt, dass Umfragen wie die LAMed API- und Facharztstudien jüngst wieder gezeigt haben, dass Kongresse unverändert nach Fachzeitschriften die meistgenutzte Fortbildungsmöglichkeit sind. Doch es könnte lohnenswert sein, diese Strukturen zu hinterfragen, denn die Kongressauftritte stehen im Spannungsfeld großer Veränderungstreiber: Digitalisierung und Omnichannel, ein sich weiter veränderndes Informationsverhalten der Zielgruppen, sinkende Budgets und das Megathema Nachhaltigkeit. Diese Konvergenz der Herausforderungen zwingt Unternehmen dazu, Prioritäten zu setzen, ohne an Wirkung und Relevanz zu verlieren. Aber wie könnte das gelingen?
Rückbesinnung auf die Kernkompetenz
Das Informationsverhalten der medizinischen Fachkreise ist zunehmend crossmedial, und Healthcare Professionals (HCPs) haben dank eines breiten Angebots digitaler Kanäle und hybrider Events flexibel Zugriff auf aktuelle Informationen und Inhalte. Medicalund Produkt-Content wird auch weiterhin die Stände prägen, aber: erst mit dem Fokus auf die persönliche Begegnung und das Live-Erlebnis können sie ihre volle Stärke ausspielen. Wenn Stände konsequent als lebendige Networking- Orte gestaltet werden, positionieren sich Unternehmen als Ermöglicher relevanter Kontakte. Dies entspricht auch den Erwartungen der Zielgruppen: Sieben von zehn Befragte einer Expopartner- Stichprobe beim Krebskongress sowie der Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) gaben an, dass mehr Networking-Möglichkeiten
mit Experten und Meinungsbildern das Besuchserlebnis eines Messestands für sie verbessern würde.
Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Kreativität meistern
Die Forderung nach Nachhaltigkeit bringt eine neue Dimension in die Gestaltung von Kongressauftritten. Aussteller stehen vor der Herausforderung, sich weiterhin aufmerksamkeitsstark zu präsentieren, und dabei ihre ökologische Verantwortung ernst zu nehmen. Doch müssen kreative Inszenierungen zwangsläufig im Widerspruch zur Nachhaltigkeit stehen? Ein neuer Ansatz ist gefragt: Kreative Konzepte bleiben essenziell, da Präsenzkongresse eine herausragende Gelegenheit bieten, die Marken emotional erlebbar zu machen. Ressourcenschonung und Modularität können dabei aber gleiche Priorität haben. Hierbei kann Technologie unterstützend wirken, indem sie den Materialverbrauch optimiert oder virtuelle Elemente integriert, die den ökologischen Fußabdruck reduzieren. Wiederverwendbare, intelligent anpassbare Konzepte sollten zum Standard werden. Dafür braucht es erfahrene Dienstleister und ein unternehmensweites Engagement für abteilungsübergreifende Standards – denn Nachhaltigkeit ist nur wirksam, wenn sie ganzheitlich umgesetzt wird.
Unternehmensweite Standards
Abteilungsübergreifende Standards bieten noch einen zweiten Effekt: Sie ermöglichen Skalierungseffekte durch Wiedereinsatz. Angesichts steigenden Budgetdrucks ist die Herausforderung, Kongressauftritte effizienter zu gestalten, ohne an Qualität zu verlieren. Der Schlüssel liegt in Standardisierung und Modularität. Isolierte Ansätze einzelner Business Units führen eigentlich immer zu Ineffizienz. Eine umfassende Transformation braucht daher eine unternehmensweite Strategie, die alle Einheiten einbindet – und den Brand Managern noch immer ausreichend Freiheiten zur Selbstverwirklichung bietet, aber nicht grenzenlos. Standardisierte Rahmenbedingungen sichern Qualität, senken Kosten und schonen Ressourcen. Dienstleister tragen dazu bei, indem sie Lösungen entwickeln, die effizient, hochgradig individualisierbar und zugleich markenkonform sind – und damit nicht nur dem Procurement und den Event Teams, sondern auch dem Brand Management gefallen.
Vom Umsetzer zum strategischen Innovationspartner
Mit der Weiterentwicklung der Dienstleisterrolle eröffnet sich für Healthcare- und Pharma-Unternehmen und ihre Live-Kommunikations-Agenturen eine neue Perspektive: Aus Umsetzern werden strategische Innovationspartner, die Konzepte entwickeln, die Markeninszenierung, Nachhaltigkeit, digitale Lösungen, Begleitkommunikation und Effizienz vereinen. Damit Dienstleister diese Rolle optimal erfüllen können, ist es essenziell, dass diese frühzeitig in strategische Überlegungen und Zielsetzungen eingebunden werden. Eine offene, projektübergreifende Zusammenarbeit auf Basis gemeinsamer Ziele schafft die Grundlage, um gezielt Impulse für innovative Lösungen zu setzen. Nur wenn die Zusammenarbeit offen und transparent ist, können Konzepte entstehen, die auf die Unternehmensziele einzahlen. So wird die Partnerschaft für beide Seiten wertvoller: Unternehmen gewinnen durch passgenauere Lösungen, und Dienstleister können sich als kreative Berater und Wegbereiter für moderne Kongresskonzepte positionieren – passend zu den wachsenden Anforderungen der Branche.
Neue Allianzen und Formate
Es könnte auch lohnenswert sein, über größere Ansätze nachzudenken, die über die Standplanung des einzelnen Ausstellers hinausgehen. Fachgesellschaften, Kongressagenturen (PCOs), Live-Kommunikations- Partner und die Industrie könnten sich in Think Tanks einbringen, die einheitliche Nachhaltigkeitskonzepte oder Formate für die Industrieausstellung neu denken. So könnten womöglich „konzeptuelle Blaupausen“ entstehen, die nicht nur die Industriestände beeinflussen, sondern allen Kongressbeteiligten zugutekommen. Die aktuelle Konvergenz der Herausforderungen bietet die Chance, gemeinsam alte Zöpfe zu hinterfragen und Kongressstände neu zu denken – als nachhaltige, interaktive Plattformen, die auch in Zukunft langfristige und messbare Mehrwerte für Unternehmen und Fachpublikum schaffen.